Kleine Trostrolle
Anfang November. Keine Sonne, keine Lichtblicke mehr. Nur ab und zu. Stattdessen grau in
grau. Nass und kalt. Nebelschwaden. Erstes Scheibenkratzen.
Ich liebe diese November-Tristesse. Denn sie passt zu meiner melancholischen Stimmung in
dieser Zeit. Und sie kündigt den Winter an. Endlich keine dicken Finger mehr. Keine
durchgeschwitzten T-Shirts. Und einmal duschen am Tag reicht auch. Die Bäume stehen noch
in vollem Laub. Bunt und frech. Ich mag dieses Widerständige bis zum Letzten.
Endlich kommt die Zeit von Wollsocken, Jogi und Kapuzenpulli, heißem Tee und Keksen,
eingemummelt auf der Couch.
Doch im November kommt auch die Zeit von Gestecken und Tannengrün auf unseren Gräbern.
Geliebte Menschen, die gegangen sind. Gehen konnten. Wie erster Frost kriechen Trauer und
Einsamkeit in die Knochen. Dann reichen Wollsocken und Kekse nicht mehr. Mehr unter
Menschen sein, mehr Gemeinschaft. Sich gemeinsam an ihn erinnern. Gemeinsam über sie
sprechen. Gemeinsam lachen und weinen. Sich berühren und umarmen. Nähe und Trost.
Momentan undenkbar, ja unmöglich. Wie wird’s Heiligabend sein oder im neuen Jahr?
Der Monatsspruch für November macht Hoffnung. Es sind Worte aus dem Jeremiabuch, aus
der Trostrolle für Efraim. Worte der Nähe und des Trostes von Gott an sein Volk. Damals wie
heute. Eine kleine Trostrolle für diese schwierige Zeit und das Ungewisse:
Sei traurig
über die grauen Regenwolken
und die Nasskälte,
den geschlossenen Italiener,
die Photographin ohne Aufträge
und den Kosmetiker, der auf Dezember bangt.
Heule ruhig auch mal,
dass der Zoo zu ist,
kein Popcorngeruch vor dem Kino,
einsam sitzt jemand am Esstisch
und liest die Zeitung nicht mehr,
in der Wohnung oben links wütendes Gebrülle.
Ärgere Dich,
wann endlich Weihnachten planen
und die Geschenke kaufen,
von den Nägeln blättert der Lack,
schon wieder den Mundschutz auskochen,
beinahe die Nerven verlieren.
Sei wütend und traurig und müde.
Denn Gott spricht:
„Sie werden weinend kommen,
aber ich will sie trösten und leiten.“
Es wird nämlich Dezember werden.
Ganz bald.
Amen.
Anfang November. Keine Sonne, keine Lichtblicke mehr. Nur ab und zu. Stattdessen grau in
grau. Nass und kalt. Nebelschwaden. Erstes Scheibenkratzen.
Ich liebe diese November-Tristesse. Denn sie passt zu meiner melancholischen Stimmung in
dieser Zeit. Und sie kündigt den Winter an. Endlich keine dicken Finger mehr. Keine
durchgeschwitzten T-Shirts. Und einmal duschen am Tag reicht auch. Die Bäume stehen noch
in vollem Laub. Bunt und frech. Ich mag dieses Widerständige bis zum Letzten.
Endlich kommt die Zeit von Wollsocken, Jogi und Kapuzenpulli, heißem Tee und Keksen,
eingemummelt auf der Couch.
Doch im November kommt auch die Zeit von Gestecken und Tannengrün auf unseren Gräbern.
Geliebte Menschen, die gegangen sind. Gehen konnten. Wie erster Frost kriechen Trauer und
Einsamkeit in die Knochen. Dann reichen Wollsocken und Kekse nicht mehr. Mehr unter
Menschen sein, mehr Gemeinschaft. Sich gemeinsam an ihn erinnern. Gemeinsam über sie
sprechen. Gemeinsam lachen und weinen. Sich berühren und umarmen. Nähe und Trost.
Momentan undenkbar, ja unmöglich. Wie wird’s Heiligabend sein oder im neuen Jahr?
Der Monatsspruch für November macht Hoffnung. Es sind Worte aus dem Jeremiabuch, aus
der Trostrolle für Efraim. Worte der Nähe und des Trostes von Gott an sein Volk. Damals wie
heute. Eine kleine Trostrolle für diese schwierige Zeit und das Ungewisse:
Sei traurig
über die grauen Regenwolken
und die Nasskälte,
den geschlossenen Italiener,
die Photographin ohne Aufträge
und den Kosmetiker, der auf Dezember bangt.
Heule ruhig auch mal,
dass der Zoo zu ist,
kein Popcorngeruch vor dem Kino,
einsam sitzt jemand am Esstisch
und liest die Zeitung nicht mehr,
in der Wohnung oben links wütendes Gebrülle.
Ärgere Dich,
wann endlich Weihnachten planen
und die Geschenke kaufen,
von den Nägeln blättert der Lack,
schon wieder den Mundschutz auskochen,
beinahe die Nerven verlieren.
Sei wütend und traurig und müde.
Denn Gott spricht:
„Sie werden weinend kommen,
aber ich will sie trösten und leiten.“
Es wird nämlich Dezember werden.
Ganz bald.
Amen.